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Sexueller Missbrauch - Wie geht es weiter?

Hallo Ihr Lieben!

 

Oh nicht schon wieder.

 

Das wissen wir doch alles. Ja natürlich war es schlimm. Aber wozu noch in der Vergangenheit wühlen. Das ändert auch nichts mehr...Und überhaupt ist es eine Zumutung, sich das schon wieder anzusehen.

 

Unsere Gesellschaft möchte unterhalten werden.

Aber bitte keine weiteren Missbrauchsberichte.

Das ist ja nicht auszuhalten...

 

Fragt die Opfer/Betroffenen, was es bedeutet, jahrzehntelang - nicht nur etwa zweimal im Jahr im Fernsehen - sexuelle Gewalt aushalten zu müssen.

 

Wie ist es möglich, dass das Thema sexueller „Missbrauch“ immer noch vehement aus dem Alltag unserer Gesellschaft u. dem politischen Tagesgeschäft ausgeklammert wird?

 

In dem Film „Die Auserwählten“ in der ARD vor ein paar Jahren gab es als Themenabend Kindesmissbrauch, mit anschließender Diskussionsrunde bei Anne Will.

https://www.daserste.de/unterhaltung/film/themenabend-kindesmissbrauch/index.html

https://www.emma.de/artikel/die-auserwaehlten-und-die-bittere-wahrheit-317797

 

 

***Trigger-Warnung für Betroffene/Opfer***

 

Die Tatdetails werden benannt, bitte Vorsicht beim Lesen!

 

EMMA sprach mit den Betroffenen:

https://www.emma.de/artikel/das-grosse-vertuschen-312937

 

Auszug:

Ich bin 1981 mit zwölf Jahren auf die Odenwaldschule gekommen und war von 1982 bis 1985 in der „Heimfamilie“ von Gerold Becker. In diesen drei Jahren habe ich ungefähr 400 Übergriffe erlebt. Da war das ganze Spektrum dabei. Von einfach an mir rumfummeln und mich küssen über mir den Kiefer aufzwängen und mir die Zunge in den Mund schieben bis zu nächtlichen Überfällen. Und ich bin davon wach geworden, dass er mir wie ein Geisteskranker am Schwanz gelutscht hat. Ich dachte: Der reißt mir den jetzt ab! Wenn ich mich weggedreht habe, ist er von oben auf mich drauf und hat mich festgehalten. Das war ein Vergewaltigungs-Szenario. Und ich wusste drei Jahre lang nicht: Wann passiert es wieder? Es konnte ja überall passieren: Nachts in meinem Bett, morgens beim Aufstehen, unter der Dusche, in seiner Küche, in seinem Schlafzimmer. Ich wusste nicht, wann es passiert, aber ich wusste: Es passiert! Und zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit heute noch. Das ist das Brutale: Mein Alarmsystem ist in dieser Zeit so geschult worden, dass ich das bis heute nicht abstellen kann.“

 

***Trigger-Warnung wieder aufgehoben für Betroffene/Opfer***

 

 

Und weiter sagt Andreas Huckele im EMMA-Interview:

Dann haben wir 1999 eine Zeitung gesucht, die die Sache öffentlich macht. Wir haben Jörg Schindler von der Frankfurter Rundschau gefunden, der den Artikel „Der Lack ist ab“ geschrieben hat. Und in dem steht eigentlich schon alles drin. An dem Morgen, als der Artikel erschien, dachten wir: Jetzt geht’s los. Jetzt kommt alles raus! Aber es ist nichts passiert! Keine Anrufe von Schulfreunden, kein Journalist, nichts! Wir waren fassungslos. Es gab allerdings Gespräche mit meinem ehemaligen Klassenlehrer, der vor Zeugen gesagt hat: „Was wollen die zwei Arschlöcher überhaupt?“

 

EMMA berichtete schon 1978 das erste Mal über sexuellen „Missbrauch“, damals noch unter Inzest bekannt oder eher mit dem Mantel des Schweigens verhüllt:

https://www.emma.de/artikel/sexueller-missbrauch-das-verbrechen-ueber-das-niemand-spricht-264278

https://www.emma.de/artikel/ich-klage-264277

 

In der EMMA finden sich regelmäßige Artikel zum sexuellen „Missbrauch“:

https://www.emma.de/artikel/sexueller-missbrauch-264637

https://www.emma.de/artikel/falsche-kinderfreunde-263497

https://www.emma.de/artikel/paedophilie-zur-leugnung-der-machtverhaeltnisse-265158

 

Lesenswert:

https://www.aliceschwarzer.de/artikel/sexueller-missbrauch-wie-es-geschehen-kann-265064

 

Auszug:

Der Missbrauch ist keine Erfindung der katholischen Kirche - auch die "Sexuelle Revolution" hat eine fatale Rolle gespielt. Und Feministinnen reden seit über 30 Jahren gegen taube Ohren.

 

Nein, der sexuelle Missbrauch von Kindern ist keine Erfindung katholischer Patres. Und er hat auch nichts mit dem Zölibat zu tun. Allein in Deutschland werden nach Schätzung des Kriminologischen Instituts Hannover Jahr für Jahr etwa eine Million Kinder missbraucht, in neun von zehn Fällen sind es Mädchen. Und drei der vier Täter sind keine bösen Fremden oder Lehrer, sondern es ist der eigene Vater, Onkel, Nachbar. Ja, und 98,5 Prozent der Täter sind laut Bundeskriminalamt Männer – die 1,5 Prozent Frauen sind in der Regel Mittäterinnen.

 

Sexueller Missbrauch ist überall da möglich, wo Männer mächtig und Kinder ohnmächtig sind. In geschlossenen Welten, in denen der Vater (Pater, Lehrer) das Gesetz macht. Das gilt für Familien, die sich abschotten, ebenso wie für Internate, egal ob christlich, weltlich oder gar besonders fortschrittlich, wie wir am Beispiel der Reformschule Odenwald sehen.“

 

Um genau diese „geschlossenen Welten/Systeme“ ging es auch in der o.g. Diskussion bei Anne Will. Im Gespräch wurde erneut deutlich wie hilflose Kinder/Abhängige gleichgestellt wurden mit Erwachsenen, sprich den TäterInnen, durch die damalige (Reform-)Pädagogik der „Sexualität auf Augenhöhe“.

 

Doch ist weiterhin der Bund gefragt zu handeln u. nicht erst zu reagieren, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist u. dann auch nur mit verschleppten Maßnahmen. Als wenn nicht schon seit Jahrzehnten bekannt wäre, welches furchtbare Leid Kinder in Familien oder Institutionen erleiden.

 

Missbrauchsbeauftragter Röhrig hatte seine Agenda 2014 - 2019 vorgestellt u. fordert erneut politisches Handeln:

https://beauftragter-missbrauch.de/course/view.php?id=31#pressemitteilung_140429

 

Auszug:

Es braucht Tempo und Ausdauer zugleich, wenn wir den zig-tausendfachen Missbrauch an Mädchen und Jungen in den kommenden Jahren besser verhindern und den Betroffenen schneller helfen wollen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Fallzahlen leider weiterhin hoch sind. Das Netz aus Prävention und Hilfen muss in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden. Ich appelliere deshalb an alle gesellschaftlich Verantwortlichen, die mit Kindern und Jugendlichen umgehen, ihr bisheriges Engagement zu steigern. Die Aufarbeitung von Kindesmissbrauch kann nicht allein Betroffenen, Institutionen oder den Medien überlassen bleiben“, betonte Rörig. Es gäbe noch viele unausgesprochene und verdrängte Missbrauchstaten der Vergangenheit. Politik und Gesellschaft müssten bereit sein, sich diesen Fragen zu stellen.“

 

Viele Menschen können nicht nachvollziehen, wieso z.B. Kinder nichts gesagt haben oder erst nach vielen Jahren über die sexuelle Gewalt sprechen können.

 

Je mehr Hürden u. Erschwernisse den Betroffenen/Opfern in den Weg gelegt werden um angemessene Therapie u. Unterstützung zu erhalten, desto schlimmer können sich die Folgeschäden sexueller Gewalt ausweiten.

 

Je weniger offen u. transparent über Ursachen u. Prävention gesprochen wird desto eher rutscht das „Verbrechen über das keiner spricht“ wieder ab in die Tabu-Schublade.

 

Aus diesem Grunde appelliere ich an jeden Menschen sich schlau zu machen u. sich mit diesen „geschlossenen Systemen“ auseinander zu setzen, die sexuelle Gewalt an Kindern in Familien u. Institutionen begünstigt u. erst möglich macht.

 

Nur durch Wissen, Klarheit u. offene Augen schützen wir Kinder.

 

Jetzt wünsche ich Euch eine gute Woche

und liebe Grüße

Violine